AKTUELL: Schnaitsee und die Pest vor 400 Jahren

Schnaitsee und die Pest vor 400 Jahren

im Spiegel der Chroniken von Johann Babtist Veichtmayr (gest. 1861), 

Pfarrer Michael Braun (1928) und Franz Poschner (1842 - 1932)


von Ortsheimatpfleger Reinhold Schuhbeck


Teil 1: Vor der Pest 1580 - 1618

   Zunächst erinnert der Blick auf die Jahre vor 1618 stark an unsere Zeit bis zum Ausbrechen der Corona-Pandemie: Noch nie in der Geschichte ging es uns materiell so gut. Wir Deutschen gelten als die Reise-Weltmeister, fliegen im Urlaub in die entferntesten Winkel der Welt, zum Chillen nach Dubai, Tauchen in Ägypten, Golfen auf den Malediven und machen gerne Kreuzfahrten, ohne dabei an den Klimawandel zu denken. Viele müssen im Winter mindestens einmal für eine Woche zum Schifahren in die Alpen. Nicht ohne Grund wird dieses Verhalten von Soziologen mit "Spaß-gesellschaft" umschrieben.

   Auch den Schäflein der Pfarrei Schnaitsee ging es vor 400 Jahren für die damalige Zeit recht gut. Obwohl die Jahre mal etwas zu trocken oder dann wieder nass waren, gab es mit Ausnahme von 1611 durchwegs gute Ernten, so dass der Zehentstadel des Pfarrers gefüllt war für etwaige Ausfälle bei seinen Zinspflichtigen. Die Priester selbst lebten gut versorgt von den Abgaben und Stiftungen der Bauern, und so mancher besaß ein beträchtliches Privatvermögen, wie zum Beispiel Pfarrer Christof Aspacher, der bis zu seinem Tod im Jahre 1617 insgesamt 7435 Gulden angehäuft hatte, die er aber nicht an seine fünf Kinder vererben durfte. (Veichtmayr/Poschner)


"Bauerntanz" von Pieter Brueghel d. Ä. (1525 - 1569)

   Die Bevölkerung der Pfarrgemeinde wuchs jährlich im Schnitt um 60 Seelen. Das hatte zur Folge, dass auf manchen Höfen zwei oder sogar drei Familien wohnten. So heißt es: "In dieser Zeit wuchs die Bevölkerung vielleicht am stärksten, denn es gab viele Häuser voll Leute, die nach der Pestzeit oder noch später abgebrochen oder als Zubau verkauft worden sind. In mehreren Häusern kamen sogar zwei Inwohner-Familien (wohnten zur Miete) vor, z. B. in der Pestzeit beim Oster und Mitterer in Waltlham. Es sind auch sehr viele Grundstücke, die heutzutage Waldungen sind, damals Äcker gewesen, so war das Feichterholz zwischen Waltlham und Rumering fast lauter Acker, ebenso zwischen Wabach, Göttsberg und Poschen und zwischen Pfeisenham und Fachendorf, zwischen Waltlham und Stangern, Schnaitsee und Garting usw." (Veichtmayr) 

   Es wurden also zur Versorgung der Bevölkerung genau wie heute (z.B. am Amazonas) Wälder gerodet, und man kann sich vorstellen, dass bei den beengten Verhältnissen in den Dörfern auch die Hygiene nicht die beste war. Und so können wir davon ausgehen, dass auch die damalige Gesellschaft irgendwie "am Limit" lebte. Doch am Horizont tauchten dunkle Wolken auf: Im Jahr 1631 drangen die Schweden nach Bayern vor, und 1634 erwähnt die Chronik die ersten Pesttoten in Schnaitsee.



Teil 2: Krieg und Flüchtlinge

   Ähnlich wie heute bei den bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien und im Nahen Osten lag Schnaitsee im Dreißigjährigen Krieg nicht im Kampfgebiet, aber sehr nahe daran, so dass unsere Bevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Kämpfe fanden ja nicht ein paar tausend Kilometer entfernt statt, sondern ganz in der Nähe, gleich auf der anderen Seite des Inns. Und auch viele Flüchtlinge kamen - dreimal innerhalb von 15 Jahren - jedoch aus der unmittelbaren Nachbarschaft, über den Fluss herüber.

   Der Beginn des Kriegs war 1618, aber er blieb viele Jahre außerhalb von Bayern. Erst das Jahr 1632 "war das erste große Unglücksjahr von Bayern. Die Schweden drangen über den Lech, besetzten München und streiften bis an den Inn. Mord und Brand waren an der Tagesordnung. Den Inn aber konnten sie nicht überschreiten. Alle Bewohner vom linken Ufer flüchteten auf das rechte Ufer; Schnaitsee und alle Ortschaften waren überfüllt mit Flüchtlingen, die auch ihr Vieh und ihre bewegliche Habe mitbrachten. Sie wohnten in Zubauhäusern und in Ställen. Daher die vielen Geburtseintragungen ebenso wie die vielen Sterbefälle." (Pfarrer Braun)

   Wie die Bewohner der Orte rechts des Inns mit den Flüchtlingen zurechtkamen, kann man nur vermuten, von Übergriffen wird nirgends berichtet, waren die Schutzsuchenden ja quasi Nachbarn und in einigen Fällen sogar Verwandte - ein großer Unterschied zur Flüchtlingssituation heute!


Caspar Merian: Die Belagerung Wasserburgs (Ausschnitt)


   Schlimmer waren die vielen Soldaten, die zu den Flüchtlingen noch hinzukamen: bairische und kaiserliche Truppen, darunter Österreicher, Spanier und Kroaten, die das Überschreiten des Inns durch das schwedische Heer verhindern sollten. Sie wurden bei den Bauern "einquartiert", was sicher bedeutete, dass sie eher die Wohnstuben und Kammern der Bauersfamilien in Anspruch nahmen als ihre Heustadel. Auch sie mussten nun verpflegt, ihre Pferde gefüttert werden, und was sie nicht freiwillig bekamen, nahmen sie sich mit Gewalt.

   "Die Bedrückung durch die Soldaten wurde so stark, dass sich im Gerichtsbezirke Kling und Kraiburg ca. 1500 Bauern erhoben gegen die Räuberungen und Mißhandlungen. Die Bauern rotteten sich oberhalb Wasserburg bei Achatz zusammen. Den nächsten Anlaß gab das Scharfuhr-werk. Die meisten Bauern hatten bereits ihre besten Pferde eingebüßt, eine Entschädigung für diese oder andere Lieferungen gab es ja nicht. In allen Dörfern wurde Sturm geläutet, wo sich Soldaten einzeln sehen ließen, wurden sie niedergemacht." (Pfarrer Braun) Zweimal belagerten die Bauern die kaiserliche Kommandantur in Wasserburg, ehe sie im Januar 1635 auseinander getrieben wurden.

   "Die Bewohner dieses rechten Ufers, also auch die Pfarrangehörigen von Schnaitsee, Babens-ham, Wang, Mittergars usw., lagen alle Tage auf den Knien in ihren Kirchen und beteten um den Schutz Gottes. Sie wussten, was ihnen bevorstand, wenn der Feind über den Inn kommen sollte. Das Hochwasser des Inns wurde als Sendung betrachtet. Endlich am 30.Oktober wurde der Friede geschlossen nach dreißigjähriger Dauer." (Pfarrer Braun)




Teil 3: Zweimal Pest und eine alte Verschwörungstheorie

   1635: "Die Soldaten waren abgezogen, aber jetzt trat ein anderer Würgeengel auf: die Pest. Soldaten aus allen Ländern hatten die Keime mitgebracht; die häuslichen Zustände waren schlecht, die hölzernen Häuser, die Viehstallungen aus Holz mit dem Hause unter einem Dache, die Düngergruben vor den Fenstern mit Tierblut gefüllt, die Unreinlichkeit des Volkes, in der Stube die Hühner und jungen Schweine, am Sonntage nur, wenn es hoch ging, Gesicht- und Händewaschung: all das war geeignet für die weite Verbreitung der Krankheit." (Pfarrer Braun)

   Pfarrer Braun nennt ganz richtig die "Unreinlichkeit des des Volkes" als Ursache für die Verbreitung der Epidemie, erwähnt aber nicht die Überträger des Virus, nämlich Flöhe, die von Ratten auf den Menschen übersprangen. Schon bei der ersten europäischen Pestwelle 1348 ging eine Verschwörungstheorie durch das Land: Die Juden hätten die Brunnen vergiftet, um die Weltherrschaft zu erringen. Das hört sich heute ähnlich an: Der Amerikander Bill Gates will angeblich die Menschen mit einem Micro-Chip impfen, um damit die ganze Welt zu kontrollieren. Und in München wurde der Trainer eines jüdischen Fußballclubs beschimpf: "Ihr (S...-) Juden habt das mit dem Corona gemacht!"

   "Die (Pest) wurde genannt: Böse Krankheit, wildes Kopfweh, das Leidwesen, die Sucht, die Pestilenz, das große Sterben. Die Häuser, in denen sich Pestkranke befanden, wurden abgesperrt; vor dem Hause stellte man in einiger Entfernung einen Tisch auf; auf denselben legte man Speise und der Priester die heilige Hostie, dann entfernte man sich. Die Leidenden traten nun  heraus, nahmen die Speisen zu sich und reichten sich selbst das Abendmahl." (Pfarrer Braun) 


Pestdarstellung in der Kirche von Vogtareuth


   Also auch damals versuchte man, die Seuche einzudämmen, indem man die Infizierten unter strenge Quarantäne stellte. Allerdings gingen die Schnaitseer bei der ersten Pestwelle 1635 noch weiter in die Kirchen und beteten um Verschonung. Jedoch wurden die Toten weitab von jeder Behausung in eigenen Pestfriedhöfen vergraben, ohne Angehörige und ohne den Beistand des Pfarrers.

   "Besonders wütete die Pest in Schnaitsee, in der Filiale Leonhart; in Schnaitsee starben 1635 über hundert Personen, in Leonhart über achzig, sehr viele starben auch in Babensham, Eiselfing, Grünthal mit Waldhausen. Auch 1639 dauerte die Krankheit fort. In der Pfarrei Schnaitsee starben im Ganzen 293 Personen an dieser Krankheit. Die Pfarrei hatte damals etwa die Hälfte Einwohner wie jetzt, man darf also rechnen, daß ein Drittel dahingerafft wurden. Niemand wollte die Toten mehr begraben, keine Glocke läutete, kein Priester ging mit. Der Schinder über nahm den letzten Dienst an den Verstorbenen, und auch er mußte mit Gewalt dazu angehalten werden; es wurden im Walde Pestfriedhöfe angelegt, und in dieselben die Leichen ohne Särge gelegt. ...

Der Friede war geschlossen, die Feinde zogen ab, die Flüchtlinge kehrten wieder zurück über den Inn zu ihren Brandstätten; aber noch sollte die Drangsal nicht zu Ende sein. Wiederum trat die Pest auf im Jahre 1649. Diesmal wurde sogar der Gottesdienst in den Kirchen eingestellt, um das Zusammenkommen der Leute zu vermeiden. Erst 1651 nahm das Sterben ab." (Pfarrer Braun)

   Dass die Juden damals als Täter verdächtigt wurden, kann daran liegen, dass sie durch ihre strengen religiösen Hygieneregeln und rituellen Waschungen viel seltener erkrankten als die übrige Bevölkerung. Dazu passt: In der Ortschaft Waltlham starben 1650/51 alle Einwohner bis auf sieben; diese wohnten auf dem Hof mit dem Hausnamen "Brunner".




Teil 4: Nach der Pest

   Nachdem Deutschland die erste Welle der Pandemie relativ gut überstanden hat und eine zweite durch verantwortungsvolles Handeln vermieden werden kann, stellt sich die Frage, wie unser Leben in Zukunft aussehen wird. Können (oder wollen) wir genauso weiter leben wie vor der Krise? Wird die Erfahrung mit Corona zu neuem Denken und Handeln führen oder machen wir da weiter, wo die Krise uns aufgehalten hat?

   Der Blick in die Chroniken zeigt, dass vor 400 Jahren die Kirche einen fulminanten "Neustart" zu führen in der Lage war, der nahtlos an die Zeit vor der Krise anknüpfte. Es setzte im ganzen Land eine rege Bautätigkeit ein, die uns viele schöne Barockkirchen bescherte. Dazu kam eine Stärkung der innerkirchlichen Organisation, und alles schon wenige Jahre nach dem Ende der Pest. Im Jahre 1652 wurde "das Benefizium St. Leonhard wirklich gestiftet und fortgesetzt. Der Benefiziat muß Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag für die Guttäter (=Stifter) die Messe lesen. Er be-kommt das Wohnhaus mit Gärtl und jährlich 300 Gulden und 24 Pfund Pfennig von dem vor-maligen Benefizium." 1654: "Den 15. Mai wurde der Hochaltar zu Sankt Leonhard aufgerichtet, auf der Seite befinden sich Sankt Kilian und Sankt Augustin. Die Pfarrei Schnaitsee hatte das Gelöbnis gemacht, die Kirche zu Leonhart um einen neuen Chorbau zu vergrößern, an der Spitze der Pfarrer von Schnaitsee, Kilian Däfner, und der Pfegskommissar von Kling, Augustin Sailer; und wenige Jahre hernach wurde das Werk vollendet; die beiden Heiligen Kilian und Augustin zu beiden Seiten des Hochaltars erinnern noch daran." 1657 "wurden die Altäre in Sankt Anna erneuert, oder was sehr gläublich ist, ganz neu gesetzt." (Pfarrer Braun)


Hochaltar in der Kirche Sankt Leonhard


   1664 "wurde eine in der Mitte der Pfarrkirche stehende Säule herausgerissen und ein neues Gewölbe gemacht" (Poschner). Dieser lapidare Satz bezeichnet nichts weniger als den komplet-ten Umbau der gotischen Kirche von Schnaitsee in eine Barockkirche, die erste im jetzigen Land-kreis Traunstein. Der "welsche" Baumeister damals war Caspare Zuccalli aus Graubünden. 

   Anders war die Situation bei den bäuerlichen Grunduntertanen. Diese hatten im Gegensatz zum Klerus Hunderte von Todesopfern zu beklagen; viele Hofstellen waren ohne Bewohner und verfielen, und die Ernährungslage kann nur als katastrophal bezeichnet werden. 

1656 "wurde die Pfarrei Schnaitsee folgendermaßen geschildert: Es gibt kalte, harte und spere (=dürre) Gründe, die, wenn sie nicht gut bearbeitet werden, kaum einen oder zwei Samen tragen. Es ist jetzigerzeit die Bauernschaft so verarmt, dass es nicht Leute und Vieh genug hat, es gehörig zu bearbeiten. Ferner daß das Getreide nicht gut von Qualität sei, und das steht auch schlecht, so daß die Bauern kaum im Stande sind, Stift, Steuern und Abgaben zu bestreiten, den Pfarrer in seinen kirchlichen Forderungen und Einkünften vielfach nicht befriedigen können." (Veichtmayr). 

   Im Klartext heißt das, dass die Kirche ihr beträchtliches Vermögen über die Krise hinüberretten konnte und sogleich in der Lage war, umfangreiche Bautätigkeiten aufzunehmen, was zumindest den Baumeistern, Zulieferern und ihren Helfern ein Einkommen brachte. Die meisten Bauern aber hungerten und waren mit ihren Abgaben im Rückstand. Jedoch findet sich nirgends in den Chroniken eine Stelle, die sagt, dass ihnen von Seiten des Klerus direkte Hilfe zugekommen wäre.

   In der Krise des Jahres 2020 kann der Staat auch auf die hohen Steuereinnahmen der vorherigen Jahre zurückgreifen, mit denen er viele Milliarden schwere Konjunktur- und Hilfs-programme auflegt, die sowohl den Unternehmen als auch den Arbeitnehmern helfen sollen. Aktuell scheint sich die Wirtschaft schon wieder zu erholen, aber nicht in allen Branchen.

   Eines aber ist sicher: Das neue Covid 19-Virus wird auf dieser Welt bleiben, genauso wie die Erreger der Pest in vielen Ländern immer noch Todesopfer fordern. In Deutschland gilt sie seit über 100 Jahren als ausgerottet. Dasselbe müssen wir nun mit dem Corona-Virus schaffen. Auf dem Weg zu diesem Ziel wird sich unser Leben verändern.


Info: Die Aufzeichnungen von Pfarrer Braun und Franz Poschner bauen beide auf der umfang-reichen Chronik des Johann Babtist Veichtmayr, abgeschlossen im Jahre 1860, auf.




Teil 5: "Helf dir Gott!" -

eine päpstliche Genesungsformel

Pandemien in der Veichtmayr-Chronik


Nachdem sich das Corona-Virus doch nicht so schnell eindämmen lässt und Impfstoffe noch in der Entwicklung sind, bleiben uns vorerst die sogenannten Hygiene-Maßnahmen, um gut über den Winter zu kommen. Es gibt da die Abkürzung AHA (Abstand - Hände waschen - Alltagsmasken), mittlerweile ergänzt durch L und C (Lüften und Corona-Warnapp). In den Pest-Zeiten vor über tausend Jahren jedoch waren andere Ratschläge bzw. Verhaltensregeln üblich.

Eine erste große Pestwelle, die "Justinianische Pest", benannt nach dem oströmischen Kaiser Justinian, trat 541 bis 543 n. Chr. im östlichen Mittelmeerraum, vor allem aber in der Hauptstadt Byzanz oder Konstantinopel auf, aber ein Ausläufer scheint es um das Jahr 560 bis zu uns geschafft zu haben:

"Die im Orient entstandene Seuche ist trotz der gewaltigen Entfernungen der Länder über die Meere nach Italien gelangt. Dieses grausige Todeslos konnte durch das Bollwerk der Alpen nicht eingedämmt werden, hat Bayern, Schwaben und die entferntesten Striche Austrasiens (das damalige Ostfrankenreich) durchstreift, eine grenzenlose Zahl von Menschen dahingerafft, und überall eine so große Wüste hinterlassen, dass den Fluren die Bauern fehlten, das Vieh unbeaufsichtigt umherirrte und die Erde überall seine Bewohner suchte." (Adelzreiter Annales 1662, aus dem Lateinischen übersetzt). 


Im Jahre 590 wurde in Rom ein Mönch zum Papst gewählt, der als Gregor der Große zahlreiche kirchliche Reformen durchführte und dem wir z.B. den Gregorianischen Kalender verdanken. Auch führte er für den Martinstag (25.April) eine neue Prozession ein:

"Die Veranlaßung zur Einführung der letzteren Procession hat folgendes Ereigniß gegeben: Im Jahr 589 ist bey einer großen Über-schwemmung der Tiberfluß ungemein weit ausgetreten, und hat dadurch eine ver-heerende Krankheit verursacht. Die Luft soll so verpestet gewesen seyn, daß diejenigen, welche niesen oder gännen mußten, hinfielen und starben. Um diesem schrecklichen Übel Einhalt zu thun, hat der heilige Gregor einen allgemeinen Buß- und Bitttag angeordnet und verfügt, daß man zu den Niesenden sage: 'Helf Gott', die Gännenden aber ihren Mund mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes bezeichnen sollen." (Veichtmayr)

Mit der verpesteten Luft ist die Lungenpest gemeint, die sich damals in der feuchten Umgebung als Tröpfcheninfektion ausbreiten konnte und die in der Regel nach drei Tagen ohne Behandlung zum Tod führt. 

Dreihundert Jahre später lesen wir wieder von dieser Verhaltensregel. Zum Jahr 877 heißt es bei Veichtmayr: "König Karlmann unternimmt einen Feldzug nach Italien, um die demselben entrißene Kaiserkrone wieder zu gewinnen. Unter dem Kriegsheere hatte sich in Italien eine pestartige Seuche, das welsche Fieber genannt, und bei dessen Zurückkunft auch unter dem Landvolke ausgebreitet. Die davon befallenen Leute starben am Nießen; von dieser Zeit an soll auch in Deutschland die Gewohnheit aufgekommen seyn, den Nießenden ein 'Helf dir Gott' zuzurufen."

Dieser Spruch hat sich bis in die heutige Zeit wörtlich erhalten und ist vor allem bei uns in Süddeutschland zu hören. Der moderne Mensch sagt aber auch: "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott." 

In Corona-Zeiten wäre vielleicht besser: "Achte auf dich und deinen Nächsten, dann wird Gott uns allen helfen."