Gedenkstein bei Eggerding

Gedenkstein bei Eggerding

   Dieser Gedenkstein geht mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Tod eines Priesters zurück, der im Jahre 1653 "außerhalb von Eggerding" bei einem Streit mit einem Bauern ums Leben kam. Tatsächlich ist in der Chronik von Pfarrer Braun (1928) ein Totschlag an einem Priester von der Expositur Durrhausen, heute Kirchensur, zu finden. Auch der noch frühere Chronist Johann Babtist Veichtmayr beschreibt in seinem 1860 abgeschlossenen Werk das Ereignis, geschehen auf dem Heimweg von einem Bittgang:


Das vom Heimatverein 2022 renovierte Sühnekreuz von Eggerding

"Am 17. Mai wurde Wolfgang Pirtlinger, Expositus von Durrhausen, bei Eggerding von einem Bauern erschlagen. Der Bauer gab an: Es habe ihn zuerst der Expositus angepackt und mit einem Zaunstecken geschlagen, welchen er ihm dann aus der Hand drehte und ihm dann vier oder fünf Streiche über den Kopf gab, woran er nach wenigen Stunden oder sogleich starb, da man ihn tot fand. 

Der Bauer hatte ihm schlechten Flachs gegeben und der Gersten-Zehent auf dem Feld liegen lassen, obwohl es ihm sonst immer in Körnern gegeben wurde, deswegen er vom Expositus beschimpft wurde. Der Bauer gab an, er habe am selben Tag einen Rausch gehabt." (Veichtmayr-Chronik 1860).

Bei Pfarrer Braun heißt es dazu auf Seite 88: "Am 17. Mai nun ging der Expositus mit dem Kreuze nach Schnaitsee, las dort die Messe, hatte levitiert, ging hernach zum Lehrer Kaltschmid, wo er seine Suppe einnahm. Um 4 Uhr nachmittags machte er sich auf den Heimweg. Am anderen Tage wurde er außerhalb von Eggerding erschlagen gefunden. Die Leiche wurde nach Kirchensur gebracht und dort am 19. Mai in der Kirche beigesetzt. Der Täter war anfangs unbekannt, bis man erfuhr, daß Hans Gruber flüchtig gegangen sei. Es wurde nun ein Steckbrief erlassen, aber Gruber war nicht zu finden."

Dieser Hans Gruber aus Grub oberhalb Kirchensur war zwischenzeitlich unterwegs, um seinen Totschlag zu sühnen: Da kam nun im September 1653 eine Bitte um Absolution nach Salzburg von Gruber. Er sagt in seinem Schreiben, daß er durch die Schuld des Expositus in Kling in die Brunnenkeuche gesperrt worden sei." -


Die Filialkirche von Kirchensur gehört heute zur Pfarrei Amerang

"Nach der Tat sei er nach Rom und Loretto gegangen, habe gebeichtet, alles erzählt und um die Absolution gebeten, worüber er ein Testimonium habe. Doch habe es geheißen, er müsse sich an seinen Oberhirten nach Salzburg wenden. In Salzburg erhielt er nun die Absolution; ob er nach Hause kam, ist unbekannt." (Braun S. 89)

Warum die Steinsäule nahe Eggerding im Zusammenhang mit dem Totschlag von 1653 gesehen werden kann, ergab ein Zufall. Eine Wiener Familienforscherin, Großcousine eines Schnaitseers mit Wohnort in Kirchensur, konnte erklären, wie die Geschichte letztendlich gut ausging:

Auf Anraten seines Bruders Georg nämlich, dem Stadtschreiber von Traunstein, war Hans Gruber nach Rom und Loretto und anschließend zum Erzbischof von Salzburg gegangen und hatte um Absolution gebeten. Dieser trug ihm auf, weiter Reue zu zeigen, indem er sich in Heistern, Pfarrei Palling, auf dem dortigen Hof als Knecht verdingte. Hier war Gruber als Hilfskraft willkommen, weil der Bauer Gabriel Heistracher, Vater von 10 Kindern, kurz vorher verstorben war. Allerdings wird Grueber 1654 in Tittmoning inhaftiert und wenig später an Bayern übergeben. Dort droht ihm nun im Unterschied zu Salzburg die Todesstrafe. Doch schon ein Jahr später kommt er frei, kann nach Heistern zurückkehren und, weil selber Witwer, die Witwe Anna Heistracher ehelichen. Er verstarb am 19. April 1667 ohne weitere Nachkommen als "alter Haistracher de Haistrach und Austragsmann". Drei Jahre später starb seine Frau Anna, die Urahnin der Familien Heistracher in Gitzen, Schnaitsee und Kirchensur. So ist es durchaus möglich, dass Hans Gruber 1662 die Steinsäule anfertigen ließ und sie am Tatort "außerhalb von Eggerding" aufstellte, wenn auch erst 9 Jahre nach dem tragischen Ereignis. 

Denn auch ein sog. "Sühnekreuz" gehörte im Mittelalter zu den Taten der Reue nach einem unbeabsichtigten Totschlag. In Bayern galt dieses uralte germanische Recht noch bis 1532, im Fürstbistum Salzburg vermutlich über 100 Jahre länger, wie es unsere Geschichte glaubhaft macht: Wer einen solchen Totschlag begangen hatte, konnte durch ein soziales Werk, eine Großwallfahrt und das Aufstellen eines Sühnekreuzes der Todesstrafe entgehen.



Gedenktafel für den erschlagenen Expositus in der Filiale Kirchensur, Pfarrei Amerang:

"Allda ligt begraben der ehrwürdige Geistliche Herr Wolffgang Piedinger. Gott sey ihm gnaedig"

1653